JAROMIR NOHAVICA

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BIOGRAPHIE
 

Jaromír Nohavica, Liedermacher, Texter und Übersetzer, geboren am 7. 6. 1953 in Ostrava.

In seinem Geburtsort besuchte er die Allgemeine Mittelschule und danach die Fachschule für Bibliothekswesen in Brno, das Studium an der Hochschule für Bergbau in Ostrava hat er nicht beendet. Jetzt lebt er in Ostrava. In den Jahren 1978–99 hat er in Èeský Tìšín gelebt.

Er hat einige Berufe ausgeübt, unter anderem arbeitete er als Arbeiter und Bibliothekar. Seit 1981 ist er freiberuflich tätig. Eine musikalische Ausbildung hat er nicht, das Gitarre-, Violin-, Flöten- und Ziehharmonikaspielspiel erlernte er autodidaktisch.

Zuerst fing Jaromír Nohavica als Texter an: für die regionalen Musikgruppen Atlantis (1967) und Noe (1968), schrieb Texte für die Rockgruppe Majestic und arbeitete mit dem Tschechischen Rundfunk in Ostrava und dortigen führenden Popsängern wie Petr Nìmec, Vìra Špinarová sowie Marie Rottrová zusammen. 1981 gab er heimlich die Übersetzung der Sammlung der Fastnachtspiele Piórka des polnischen Dichters Jan Sztaudynger heraus. Im selben Jahr textete Nohavica die Lieder von V. Hlavièka für die Inszenierung „Dundo Maroje alias Pfiffikus Pomet“ des Theaters Tìšínské divadlo.

Der erste öffentliche Auftritt mit seinem eigenen Repertoire fand (zufälligerweise) im März 1982 auf dem Festival „Folk-Karussell“ in Ostrava-Poruba statt und nach kurzer Zeit stand er an der Spitze der tschechischen Folkmusik. Beim nationalen Finale des Festivals „Porta 83“ gewann er die Zuschauerumfrage als „herausragendste Persönlichkeit“. Unter anderem fesselte er mit seinem Lied „Pánové nahoøe“ („Die Herren da oben“), das die Bösartigkeit einer unkontrollierten Regierung direkt angreift. Dieses Lied hat er von dem französischen Literaten Boris Vian übernommen. Nicht nur dieser Text, sondern auch die anderen Texte von Nohavica weckten die Empörung seitens damaliger Zensoren und genauso wie manchen anderen engagierten Künstlern wurde es auch ihm verwehrt, seine Gedanken offen zu äußern. Im Jahre 1985 kam es zum Höhepunkt dieser Entwicklung, zum Festival „Porta“ wurde er zwar eingeladen, konnte jedoch nicht auftreten und musste Plzeò verlassen. Paradoxer Weise platzierte sich Nohavica in der Zeit, als er keine einzige Aufnahme herausgab und die Medien kein Interesse an ihm hatten, unter den zehn besten Sängern in der Umfrage „Zlatý slavík“ („Goldene Nachtigall“) - erstmals 1987 und dann noch einige weitere Male. Sein Schaffen verbreitete sich in Form illegaler Amateur-Höraufnahmen oder Abschriften.

Sein erstes Musikalbum, mit dem er sich profilierte, erschien 1988: „Darmodìj“ (“Vergebens-Macher“), dieses reife und ausgewogene Album enthält Konzertaufnahmen vom Jahreswechsel 1987–88 und repräsentiert die erste Hochphase des Weges dieses Liedermachers. Im Jahre 1989 erschien die Liedauswahl „Osmá barva duhy“ („Die achte Farbe des Regenbogens“), und ein Jahr später „V tom roce pitomém“ („In dem dummen Jahr“). Das erste Studioprojekt realisierte Nohavica im Jahr 1993. Es trägt den Namen „Mikimauzoleum“ („Mickymausoleum“) und wurde zu einem der wichtigsten tschechischen Liedermachen-Alben; ein für seine Zeit außergewöhnliches Arrangement schuf Karel Plíhal. Das nächste Studioprojekt „Divné století“ („Das seltsame Jahrhundert“) gewann den Preis „Èeská gramy“ für die Platte des Jahres 1996 außerhalb der Kategorien (zum ersten Mal gewann eine Folkplatte diesen Preis). Es geht um ein konzeptionelles Nachdenken über das zu Ende gehende Jahrhundert, um ein kompaktes und wohldurchdachtes Album, das stellenweise wie ein Chanson klingt, allerdings auch Inspirationen von Russland und dem Balkan, vor allem jedoch die Aussage eines reifen Lieddichters enthält. Die empfindliche, instrumentale- und stilreiche musikalische Bearbeitung (Karel Plíhal, Vít Sázavský) unterstreichen den plastischen Gesang Nohavicas und sein Ziehharmonikaspiel. Mit diesem Album hat Nohavica ein breiteres Publikum angesprochen und wurde auch für die Massenmedien interessant. In den Jahren 1994–95 widmete er sich der Arbeit für Kinder - Album und Buch „Tøi èuníci“ („Drei Ferkelchen“) mit Abzählreimen und Märchen - und der Gesamtausgabe seiner Texte „Jaromír Nohavicas Lieder von A bis Ž“, vom Hitbox-Verlag.

Nohavica gestaltet Texte und komponiert Musik für verschiedene Inszenierungen des Theaters Tìšínské divadlo, des Prager Theaters Na Fidlovaèce und des Petr Bezruè-Theaters in Ostrava. Als Texter arbeitet er mit den Musikgruppen Neøež, Doga, mit Pavlína Jíšová u.a. zusammen. Im Jahr 2000 nahm er das Album „Moje smutné srdce“ („Mein trauriges Herz“) auf – mit Elementen von Folk, Blues, Chanson bis Jazz, Gäste: Èechomor, František Uhlíø, Milan Kašuba u.a. Zudem wird er eine der Hauptfiguren im TV-Dokument „Folk- und Countrylegenden“, das die tschechische Szene ab Anfang der 60er Jahre bis zur Gegenwart präsentiert.

Im Jahr 2002 spielte er die Hauptrolle im fiktiven Dokument „Rok ïábla“ („Das Jahr des Teufels“) von Petr Zelenka (Verleihung des Filmkunstpreises „Tschechischer Löwe“, ausgezeichnet in mehreren Kategorien, auch für die Musik von J. Nohavica und Èechomor). „Am meisten könnte 'Das Jahr des Teufels' eine tiefsinnige verfilme Variation der Lieder von Nohavica sein – in dieser Hinsicht ist der Lieddichter die zentrale Filmfigur: es wechseln hier entwaffnender Humor und die beinahe philosophischen Reflexionen.“ (Aus der Filmkritik von Darina Køivánková, Lidové noviny 7. 3. 2002). „Vor allem Jaromír Nohavica reißt die Aufmerksamkeit an sich … Während die anderen auf der Suche nach einer absoluten Selbsterkenntnis sind, ob durch Gott, Ritual, Musik oder Alkohol, ist Nohavica der einzige, der nach keiner Erklärung strebt. Er unternimmt wirklich keine Bemühung, es geht um seine bloße Existenz auf der Leinwand, vielleicht deswegen, da er sich bereits längst gefunden hat und diesen Sinn in seinen Liedern verbirgt, die für andere gerade die Anregung zur Suche nach der Selbsterkenntnis darstellen. Nohavica wird zum Symbol und zum Vorwand für alles Metaphysische, was sich in dem Film abspielt.“ (Aus der Filmkritik von Martina Muziková, Literární noviny 22. 7. 2002).

Nohavica ist außerordentlich talentiert, seine bezeichnenden Eigenschaften sind Intelligenz, Belesenheit, Sensitivität und Fleiß. Seine Konzerte stellen für die Zuschauer ein einzigartiges Erlebnis dar, weil er zu den Liedermachern gehört, die ein gewisses Mysterium umgibt. Er bewegt sich bravourös zwischen Folk und Folklore, ist ein echter Barde seiner Region. Von der Folkgeneration der 60er Jahre weicht er erheblich darin ab, dass sein Musikstil eher auf den Osten ausgerichtet ist: er nutzt die slawische Melodik, viele seiner Liedthemen liegen dem slawischen Milieu zugrunde, sind durch die russische romantische Literatur inspiriert. Dieser Lieddichter ist überhaupt sehr eng mit Poesie und Literatur verbunden. In Tönen setzt er das Werk der tschechischen Dichter František Gellner „Radosti života“ („Die Freuden des Lebens“) und Petr Bezruè „Kdo na moje místo“ („Wer an meiner Stelle“) um, übersetzt und interpretiert die Lieder von Vladimír Vysocký, Bulat Okudžava und Alexandr Blok, und verwendet dabei auch Übersetzungen von Milan Dvoøák. Die meisten Übersetzungen wurden jedoch nicht herausgegeben - siehe Petr Èehovský, Autor der einzigen Monografie über Nohavica.

Nohavicas großer Vorteil ist sein reicher Wortschatz, sein Gefühl für die Sangbarkeit der tschechischen Sprache und die Eigenartigkeit ihrer Sprachstile - von schriftsprachlichen Formen über die tschechische Hochsprache und die Umgangssprache bis hin zu Vulgarismen. Seine verbalen Ausdrucksmittel begeistern durch Schlagkraft, Übersichtlichkeit, Reime, geschliffene Pointen und der Neigung zu Romantik, Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit. Die Breite seiner Themen ist ungewöhnlich. Einerseits hält er der heutigen Gesellschaft den Spiegel vor „Dál se háže kamením a píská“ („Weiter wirft man Steine und pfeift“), „Dopisy bez podpisu“ („Briefe ohne Unterschrift“), „Nechte to koòovi“ („Lasst es dem Pferd“), bezieht kompromisslos Stellung zu sozialen und politischen Themen „Mávátka“ („Winkelemente“), „To nechte být“ („Lasst das sein“), „Køivá zrcadla“ („Krumme Spiegel“), anderseits bearbeitet er historische Themenbereiche „General Windischgrätz“, „Husita“ („Hussite“), „V hospodì na rynku“ („In der Kneipe am Ring“. Er kann eine mittelalterliche Stimmung hervorzaubern und stellt in dieser Helden und Erzähler dar, die mit zeitloser Philosophie ausgestattet sind. Nohavica komponiert auch für Kinder „Grónská písnièka“ („Grönländisches Lied“), „Tøi èuníci“ („Drei Ferkelchen“), „Delfíni“ („Delphine“), widmet sich der Sportthematik „Sportu zdar“ („Sport Heil“), „Cyklistika“ („Radfahrsport“), „Ragby“, kann Poet des Alltags sein „Muzeum“ („Museum“), „Když mì brali za vojáka“ („Als man mich zu den Soldaten gerufen hat“), „Zestárli jsme lásko“ („Wir sind alt geworden, Liebe“). Das Thema Liebe bearbeitet er in verschiedensten Formen und Veränderungen „Bláznivá Markéta“ („Verrückte Margarete“), „Delfíni“ („Delphine“), „Heømánkové štìstí“ („Kamillenglück“), „Láska je jak kafemlýnek“ („Die Liebe ist wie eine Kaffeemühle“), „Svatební“ („Hochzeitslied“), „Zatímco se koupeš“ („Während du badest“), schreibt über die Hoffnung „Dokud se zpívá“ („Solange man singt“), „Ahoj slunko“ („Hallo Sonne“), „Gaudeamus igitur …“, „Zítra ráno v pìt“ („Morgen früh um fünf“), über die Vergänglichkeit „Kometa“ („Komet“), „Muzeum“ („Museum“), „Sudvìj“ („Schicksals-Bringer“), ist Pazifist und Philosoph „Krajina po bitvì“ („Landschaft nach der Schlacht“). Er verwendet zarten Humor, beherrscht die Liebeslyrik, epische Erzählung, Satire und Parodie in unterschiedlichen Text- und Musikformen: aktuellen Blues „Blues o malých bytech“ („Blues über kleine Wohnungen“), verwendet die Ballade „Až mì zítra ráno“ („Wenn morgen früh“), die Romanze „Svatební“ („Hochzeitslied“), die Parabel „Dál se háže kamením a píská“ („Weiter wirft man Steine und pfeift“), Kinderabzählreime „Voláme sluníèko“ („Wir rufen die Sonne“), bzw. den Volkschoral „Panna na oslu jede“ („Die Jungfrau reitet auf dem Esel“), das Couplet „Hlídaè krav“ („Kuhwächter“), den Walzer „Pochod marodù“ („Marodenmarsch“), das Chanson „Planu“, russische Romanzen „Petìrburg“ („Petersburg“) u.a. Nohavica will (und kann) die Gesetzlichkeiten dieser Welt und des menschlichen Seins erfassen, streitet mit den tiefsten Lebensgefühlen, mit den Fragen des Glaubens, der Unsterblichkeit, des Schicksals des Künstlers „Never more“, „Darmodìj“ („Vergebens-Macher“), „Mikimauz“ („Micky Maus“), „Litanie u konce století“ („Litanei am Ende des Jahrhunderts“) – hier tritt meistens eine archetypische Figur auf, die in ihren Händen das Schicksal des Menschen bzw. die Verfluchung des Künstlers hat, der Autor verwendet hierbei eine dunkle Symbolik, komplizierte Konnotationen und dieses Bild berührt in den höchsten semantischen Schichten oft das existentielle Gefühl. Im Repertoire findet man auch einige Volkslieder (schlesische: „Sokolové oèi“ („Falkenaugen“), „Našel jsem já pytlíèek“ („Ich habe ein Beutelchen gefunden“), und mährische: „Svatá Dorota“ („Heilige Dorothea“), „Usnula neèula“ („Sie ist eingeschlafen, hat nicht gehört“), „Mám já jednu zahrádeèku“ („Ich habe ein Gärtchen“), „Dobrú noc má milá“ („Gute Nacht, meine Liebe“), „Ej dívèa, dívèa“ („Ej Mädchen, Mädchen“) und viele andere, bei denen der Einfluss der Volkslieder spürbar ist.

Die Kraft seines Ausdruckvermögens steht im Dienst des Wortes. Die Betonung seiner Aussage erreicht er durch eine mustergültige Vortragsweise, durch die Auswahl des Sprachentyps (z.B. Jargon bestimmter Berufsgruppen, Dialekt der Region Ostrava u.ä.), durch zweckmäßigen Melodiebau mit zahlreichen Wiederholungen (nach der Art der Volksballaden) und durch geeignete Veränderungen auf der Ebene der musikalischen Verarbeitung – vom Volkslied bis zum Chanson. Derzeit gibt Nohavica sowohl Solo-Konzerte als auch Konzerte in Begleitung der Musikgruppe Kapela (mit der er das Album „Koncert“ aufnahm) oder Èechomor. Er ist wahrscheinlich der beliebteste und meist gehörte tschechische Liedermacher, eine große Persönlichkeit der tschechischen Folkszene, ein vielseitig begabter Künstler, der in unserer Musik-Szene einen ganz spezifischen Typ darstellt. Er hat die Rolle des „Folk-Märtyrers“ der 80er Jahre überwunden, seine Popularität ist auch nach 1989 nicht gesunken, wohl eher umgekehrt: als ein eigenartiger Künstler, der seinen eigenen Weg geht, hat er es geschafft, sich mit der veränderten Position der Folkmusik in unserer Gesellschaft nach der radikalen Novemberwende abzufinden.

Quelle: Tschechisches Musiklexikon von Personen und Persönlichkeiten

 

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